Debatte schmälert Vertrauen in Früherkennungsprogramme

Eine von vier Frauen empfindet ein Brustkrebsscreening als besorgniserregend und beruhigend zugleich, zeigen französische Studien auf dem Europäischen Krebskongress ESMO in Madrid.

Dr. Friedrich Vorbeck
Foto: Diagnoszentrum Donaustadt
Dr. Friedrich Vorbeck Foto: Diagnoszentrum Donaustadt

Die aktuelle Kontroverse um Wirksamkeit und Nutzen von nationalen Brustkrebs-Screening-Programmen verstärkt den Zwiespalt der Gefühle. Sie schwächt das Vertrauen vieler Frauen in diese Früherkennungs- maßnahme und lässt sie auch an der Sinnhaftigkeit anderer Krebsscreenings zweifeln.

Die aktuelle, vom dänischen Cochrane-Zentrum angestoßene Debatte über Nutzen und Wirksamkeit von bevölkerungsbasierten Brustkrebsscreening-Programmen scheint zwar nur wenige Frauen erreicht zu haben, konnte diese dafür aber eindeutig verunsichern. Das ergeben zwei französische Studien, die heute auf dem Europäischen Krebskongress ESMO in Madrid diskutiert wurden. Grundlage der Arbeiten war eine Befragung von 405 Frauen zwischen 40 und 75 Jahren ohne Krebsvorgeschichte drei Monate nach Beginn der Kontroverse über nationale Brustkrebs-Screening-Programme. Eine Auswertung zeigte, dass nur 17 Prozent von der laufenden Diskussion gehört hatte. Wie Studienautor Dr. Jérôme Viguier, Centre De Coordination Des Dépistages Des Cancers, Tours, jedoch berichtete, hat sich die Sicht auf das Screening bei diesen Frauen verändert: Sie gaben zu acht Prozent an, künftig seltener zur Mammografie zu gehen. Als besonders bedauerlich hob Dr. Viguier hervor, „dass neun Prozent zudem erklärten, die Kontroverse würde ihre Teilnahme an anderen Krebs-Früherkennungs-Programmen beeinflussen.“

Sehr häufig haben Frauen ambivalente Gefühle, wenn es um Brustkrebsfrüherkennung geht: Sie wollen zwar auf Nummer sicher gehen, gleichzeitig fürchten sie sich davor. In der Studiengruppe fanden nur 57 Prozent der Frauen, die von der Debatte gehörte hatten, ein Brustkrebsscreening eher beruhigend als besorgniserregend, die nicht-informierten Frauen schätzten dagegen zu 77 Prozent das Screening als etwas Beruhigendes ein. Dieser Trend färbt auch ab auf die Bewertung anderer Screenings ab wie Darmkrebsfrüherkennung (56% versus 70%positive Einschätzung) und Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung (59% versus 72%). Dr. Viguier sieht das als „beträchtlichen Kollateralschaden“.

Radiologie Dr. Vorbeck: “Wer sich auf Mammascreenings einschießt, bringt den Frauen Nachteile”

“Aus medizinischer Sicht kann niemand ernsthaft gegen Mammascreenings sein, wer sich darauf einschießt, bringt den Frauen Nachteile”, kommentiert Dr. Friedrich Vorbeck, Obmann der Bundesfachgruppe Radiologie der Österreichischen Ärztekammer (Wien) diese Ergebnisse. “Früherkennung ist preiswert, und sie ist sehr wirksam. Sie führt beim Brustkrebs, dem häufigsten Tumor bei Frauen, zu einer hohen 5-Jahres-Überlebensrate und zu einer hohen Heilungsrate. Ein metastasierendes Mammakarzinom ist onkologisch nicht heilbar, deshalb ist die frühzeitige Operation der einzige sinnvolle Weg. Das in Frage zu stellen ist nur dann legitim, wenn es etwas Besseres gibt. Das ist aber nicht der Fall. Solange Frauen an Brustkrebs sterben, gibt es keine Unterversorgung mit Mammographie.”

In den USA zum Beispiel treten sowohl die American Cancer Society als auch die American Society of Radiology für jährliche Brustkrebsscreening ab 40 Jahren ein. Dr. Vorbeck: “Das hat damit zu tun, dass die Fachgesellschaften in den USA nicht der Gesundheitspolitik verpflichtet sind. Die American Cancer Society ist außerdem keine radiologische Fachgesellschaft, sie verfolgt in Hinblick auf Mamma Screenings keine Eigeninteressen.”

Eine weitere Auswertung der französischen Studie ergibt: Eine von vier Frauen findet Brustkrebsscreenings besorgniserregend und beruhigend zugleich. Aufgrund der jüngsten Medienberichterstattung schlägt das Pendel bei den Frauen, die sich mit der aktuellen Brustkrebsscreening-Debatte befasst haben, nun eher in Richtung Sorge aus. Dreiviertel gaben an, durch das Brustkrebsscreening beruhigt zu sein, gleichzeitig hatten 39 Prozent davor Angst. „Interessanterweise war die Rate der Frauen, die gleichzeitig Beruhigung und Angst zu Protokoll gaben, mit fast 26 Prozent sehr hoch“, sagte dazu Studienautor Prof. Dr. François Eisinger vom IPC Inserm UMR 599, Marseilles. Diese Zwiespältigkeit kam mit 15 Prozent seltener vor in der Gruppe der Frauen, die über die Debatte Bescheid wussten. Bei der Subgruppe der Frauen, die von der Cochrane-Debatte nichts mitbekommen hatten, hatten 28 Prozent widerstreitende Gefühle.

Frauen, an denen die Debatte unbemerkt vorüber gegangen war, erwarteten sich auch einen höheren Nutzen vom Screening: Auf einer Skala von 0-10 gaben sie 8,9 Punkte an, die andere Gruppe war mit 8,3 Punkten etwa verhaltener. Dr. Eisinger: „Bei der Kommunikation rund um das Brustkrebsscreening sollte den potenziell ambivalenten Gefühlen der Frauen Rechnung getragen werden. Eine dezenter geführte Debatte wäre der Sache sicher dienlicher gewesen.“

Quelle: European Society for Medical Oncology

08.10.2014

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